Friedensandacht
Zwei fiktive Briefe wurden in der Andacht von Cornelia Sorger verlesen, jeweils an eine ukrainische und eine russische Freundin. In ihnen wurde die Absurdität, der Schmerz und die Bedrohung militärischer Auseinandersetzungen deutlich. Schüler:innen schrieben das Wort "Frieden" auf den Schulhof. Lesen Sie selbst.
Dorogája podrúga segódnja v Ukraínje
ja vpérvuju ótchered dúmaju o tebjé
Liebe Freundin in der Ukraine,
heute denke ich vor allem an dich,
wenn ich zum Himmel aufschaue, denn du kannst das nicht furchtlos tun.
ich denke an dich, wenn meine Kinder, 13, 15 und 17 Jahre alt am Frühstückstisch maulen, dass sie in die Schule müssen, denn deine werden das lange nicht tun können: die Leitungen für den Fernunterricht sind gekappt, die Lehrerinnen geflohen, die Lehrer einberufen zum Kampf, wie vielleicht auch dein Mann, der Vater deiner Kinder…
ich denke an dich, wenn ich zur Arbeit gehe, denn die Schule, in der du vielleicht als Lehrerin arbeitetest ist geschlossen, vielleicht sogar zerstört
Ich hoffe ihr konntet die Stadt verlassen und fliehen, irgendwohin aufs Land. Seid vielleicht bei Verwandten untergekommen, wo der Krieg nicht wütet, noch nicht …
Dorogája podrúga segódnja v Rossíi
ja tósche dúmaju o tebjé
Liebe Freundin in Russland,
heute denke ich auch an dich.
Wie ich hast du heute deine mauligen Kinder in die Schule geschickt und bist selbst vielleicht als Lehrerin in die Schule zur Arbeit gegangen.
Vielleicht kämpft dein Mann, der Vater deiner Kinder, an der Grenze zur Ukraine. Vielleicht fühlst du dich durch die Länder des Westens bedroht und bist froh, dass die Führung deines Landes in der Ukraine Stärke demonstriert.
Vielleicht fürchtest du aber auch einfach um das Leben deines Mannes, deiner Brüder, Verwandter oder Freunde in der Ukraine und willst, dass der Wahnsinn des Krieges dort so schnell wie möglich aufhört. Aber dort, wo du lebst, ist es nicht ungefährlich, öffentlich Einspruch zu erheben und die Regierung zu kritisieren …
Liebe Freundin in der Ukraine, liebe Freundin in Russland –
heute denke ich an euch.
Vieles, wovor ich Angst habe, müsst ihr gerade erleben.
Ich fühle mich hilflos, weil ich euch nicht helfen kann.
Mit meinen Kindern habe ich überlegt, ob und wo wir in unserer Wohnung Flüchtlinge aufnehmen können – wir bereiten uns vor und sind bei euch in Gedanken und mit Gebeten …